Karl-Heinz Schreiber             Abgesang der Postmoderne

 

Der Zeitgeist hat ein Doppelkinn

Die Intellektuellen tragen Bäuche

Man diskutiert den Widersinn -

Und tabuisiert gebrauchte Gebräuche

 

Für Politik gibts Schwarzmarktpreise

Der Wertverfall ist hochmodern

Die Kunst wird als Bewegung leise -

Die Hoffnungslosen hört man gern

 

Der Straßenverkehr nimmt überhand

Der Verkehr ansonsten scheint redundant

Die Zivilisierten wandern aus

 

Gewohnheitstrinker sterben charmant

Populäre Versager sind ein Garant

Für Tröstung durch gestohlnen Applaus.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Karl-Heinz Schreiber             Aufbruchsonett

 

Hätte die Welt nur eine Struktur

Käme es auf ein Codewort an

Gäbe es Experiment statt Tortur

Wäre der Mensch ein braver Titan

 

Würden wir lediglich warten und hoffen

Hätten wir ungenügend zu tun

Wären vom Schicksal wir alle betroffen

Bräuchten wir nur pietätvoll zu ruhn

 

So aber wird es

Gedankenvoll schwirrt es

Immer nur anders sein

 

Was wir beginnen

Mit feurigen Sinnen

Wird uns befrein

 

 

 

 

 

 

 

 

Karl-Heinz Schreiber             Ekstatische Tröstung

 

Über ein Geheimnis hin

Streifen meine Weltgedanken

Endlos bebt mir noch der Sinn

Will ein Traum sich darein ranken

 

Habe ich zuviel gesehn

Oder täuscht die Sehnsucht mich?

Soll ich ohne Zeichen gehn

Läßt das Leben mich im Stich?

 

Nein, ich kann mich nicht verlieren

In die Zweifel, die mich lähmen

Wollen - ich muß reüssieren!

 

Ja, ich werde alles wagen

Kann die Lust nicht mehr bezähmen

Mich zu freun an meinen Tagen!

 

 

 

 

 

 

 

 

Karl-Heinz Schreiber             Existentielles Sonett

 

Es liegt noch die säumige Nacht

Mit dem fiebrigen Tag zu Bett

Da ist schon der Wechsel vollbracht

Und die Illusion wird komplett

 

Und ginge die Ruhe verloren

So bliebe das Gleichmaß zum Trost

Kein Mensch wird nur einmal geboren

Kein Schicksal nur einmal verlost

 

Wie könnte etwas werden

Was nie vergangen war

Und nur zu nichts zerfiel

 

Kein Wesen hat auf Erden

Und klingt dies sonderbar

Ein unerreichtes Ziel

 

 

 

 

 

 

 

 

Karl-Heinz Schreiber             Fast ein biografisches Sonett

 

Seit ich auf dieser Erde bin

Spiel ich mit Möglichkeiten

Nach etwas Festem floh der Sinn

In unverbrauchten Zeiten

 

Dann kamen Jahre voller Wut

Und vagen Attitüden

Es bäumte die Gedankenflut

Sich auf, die Worte glühten

 

Bis eines Tages die Idee

Ans Leben näher rückte

Ein seltner Sprung mir glückte

 

Bis die private Odyssee

Mich nicht mehr niederdrückte

Mich fordernd stets entzückte

 

 

 

 

 

 

Karl-Heinz Schreiber             Fast wär es zur Trauer gekommen

 

Fast wär es zur Trauer gekommen

Doch schließlich besann sich die Zeit

Es ereiferten sich alle Frommen

Und zeterten um Seligkeit

 

Anhob schließlich noch ein Bedauern

Über die Dauer der Welt

Den Predigern aufzulauern

Hat nicht mehr als Sünde gezählt

 

Es kam zu erweitertem Streite

Rechtschaffene suchten das Weite

Und nahmen beleidigt Reißaus

 

Die Idee ging bankrott

Der Mensch doubelte Gott

Und Sisyphos wagte Applaus

 

 

 

 

 

 

 

 

Karl-Heinz Schreiber             Hoffnung ohne Perversion

 

Über allen Erdenklagen

Schwärt ein Hauch von Idiotie

Ich entkomme dem Versagen

Durch Gebrauch von Ironie

 

Es könnte um Gedanken gehn

Man könnte Regeln anempfehlen

Es könnte längst geschrieben stehn

Wie Köpfe sich entzwein mit Seelen

 

Doch alle Ignoranz geniert -

Wie Ahnungslosigkeit frappiert -

Wie aggressiv sind Sorgen

 

Wie auch Sarkasmus fasziniert -

Wie Neugier Ekel kompensiert -

Doch nie versperrt sich Morgen

 

 

 

 

 

 

 

Karl-Heinz Schreiber             Im Geist mit Menschen

 

Keiner soll um Mitleid betteln

Niemand braucht um Liebe flehn

Wenn wir uns nicht im Spleen verzetteln

Und immer nur vorübergehn

 

In unserm eigenen Int'resse

Muß alles Glück für jeden sein

Daß niemand neben sich vergesse

Den Mitmensch: sei er noch so klein

 

Zwar überkommt uns Rührung

Im Wechselspiel mit Stolz

Doch ohne größ'res Ziel

 

Nur unter geist'ger Führung

Wird Form was einstmals schmolz

Und Freude habt ihr viel

 

 

 

 

 

 

 

 

Karl-Heinz Schreiber             Norderney

 

Auf Norderney am Meer

Verbrachte ich die Zeit

Mein sinn erfreute sich sehr

Die Sorgen waren weit

 

Der Strand schien endlos mir

Die Dünen lockten weiß

Ich fühlte mich im Jetzt und Hier

Mein Inneres ward leis

 

Ich bliebe gerne

Vergäße die Ferne

Sänge des Windes Lieder

 

Meine Gedanken

Können nicht wanken

Ich komme nächstes Jahr wieder

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Karl-Heinz Schreiber             Selbst-Besinnung

 

Die Menschenkinder sind doch stur

sie suchen ihren Lebenssinn

In irgendwelchen Lehren nur

Und streben meist zu Dogmen hin

 

Ein Sprichwort wird zur Weisheit gar

Und ein Gesetz zur strikten Norm

Mehrheitsbeschlüsse gelten wahr

Statt Inhalt zählt nur noch die Form

 

Das Wesentliche aber

Was uns im Leben führt

Hat jeder selbst in sich

 

wir alle sind Teilhaber

Daran was jeder spürt

Wir sind verantwortlich

 

 

 

 

 

 

 

 

Karl-Heinz Schreiber             Sonett vom andern Licht

 

die lampe hängt und schweigt

ich sitze und starre hinauf

je mehr der tag sich neigt

umso heftiger fällt sie mir auf

 

wie ein halber regenbogen

gibt sie ersticktes licht

sie hat den tag aufgesogen

doch mir verrät sie das nicht

 

ich bin fasziniert

wie sie zelebriert

ihr grünblauviolett

 

ich schließe die augen

die dunkelheit saugen

traum macht wirklichkeit wett

 

 

 

 

 

 

 

 

Karl-Heinz Schreiber             Sonett zur Aktivität

 

So viele vage Stimmen

Verheißen Ziel auf Ziel

Nur wenig von den schlimmen

Doch von den guten viel

 

Was du nicht selbst erfahren

Das wird dir nie bekannt

Die Ziele sind die wahren

Die niemand dir erfand

 

Drum bleibe stets tätig

Denn nirgends vorrätig

Liegt ein Patent

 

Denk niemals unflätig

Entwirf hochkarätig

Dein Lebensornament

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Karl-Heinz Schreiber             Unbestechliches Sonett

 

Was weiß der Mensch an einem Tag?

Was treibt ihn um aus seiner Ruh?

Worin erweist sich sein Ertrag?

Was fehlt uns denn zu uns dazu?

 

Meine Sorge scheint entbehrlich

Wie die Sonne in der Nacht

Was im Vorhinein beschwerlich

Wird im Nachhinein belacht

 

Unverbindlichkeit scheint Wahrheit

Eigentümlichkeit schafft Klarheit

Wo Verpflichtung uns entstellt

 

Nur der Mensch kennt Ungewißheit -

Wann begreift er diese Freiheit?

Denn durch uns nur lebt die Welt!

 

 

 

 

 

 

 

 

Karl-Heinz Schreiber             Visionärer Rückblick

 

wie wir gewesenes sortieren

so sieht's in unserem leben aus

blieb uns auch oft nur reagieren

wir kamen unversehrt nachhaus

 

kein schicksal konnte uns erschrecken

wir glaubten an die eigne kraft

es gab genügend zu entdecken

wir haben jeden weg geschafft

 

aus der gewißheit alter zeiten

riskieren wir stets neue weiten

wir lernen für dies leben hier

 

löst die probleme ohne streiten

laßt die erinnerung begleiten

die zukunft voller wißbegier